Vor ein paar Monaten machte sich noch niemand Gedanken, ob es wohl rechtmäßig ist, wenn Besucher bei einer Schulveranstaltung Fotos machen. Es war normal, dass bei Schulfesten, Einschulungsfeiern, Schulentlassungen und ähnlich Eltern die Veranstaltung in in Form von Fotos und teilweise auch Videos festhielten. War das in der Vergangenheit auf einige wenige foto- oder videobegeisterte Eltern beschränkt, so ist heute fast jeder mit dabei. Und anders als früher landen einige der entstandenen Medien auch schnell in sozialen Netzwerken. Man möchte die Freude teilen und die Fotos und Videos auch anderen, die dabei waren, zur Verfügung stellen.
Seit Beginn der Umsetzung der DS-GVO am 25.05.2018 herrscht an mancher Schule herrscht große Unsicherheit, ob die bisherige Praxis so weiter Bestand haben kann, braucht die Schule selbst doch Einwilligungen der Erziehungsberechtigten für das Anfertigen von Fotos von Schülerinnen und Schülern. In Folge untersagten dann Schulen Eltern das Fotografieren bei Schulveranstaltungen. Über die Medien bekannt geworden sind mehrere solche Fälle, z.B. im Raum München, wo eine Schule Eltern das Fotografieren auf dem Schulgelände grundsätzlich verbietet, und in der Lausitz, wo die Schulleitung Teilnehmern der Einschulungsfeier Fotos und Video im Kulturhaus und auf dem Schulgelände untersagt. Auch ein bayrisches Schulamt empfiehlt Schulen, dass Eltern das Fotografieren nicht mehr erlaubt werden soll. Verwiesen wird in allen Fällen auf die DS-GVO.
Im Schulamt Cottbus hält man ein generelles Fotografierverbot für nicht angemessen, sieht jedoch die Erfordernis einer vorherigen Einwilligung durch alle Eltern1“Ein generelles Fotografierverbot wäre nicht angemessen und würde bei den Eltern auf Unverständnis stoßen. Um allerdings Fotos machen zu können, bräuchte man das Einverständnis aller Eltern“, sagt Gerald Boese.” Schulanfang 2018 und die DSGVO – Grundschule verbietet Eltern Fotos bei Einschulungs-Feier und verweist sonst auf die Möglichkeit, Fotos außerhalb der Veranstaltung zu machen.
Die rechtliche Seite
Grundsätzlich kann die Schulleitung durch ihr Hausrecht tatsächlich Besuchern das Anfertigen von Fotos und Videos auf dem Schulgelände untersagen. Doch ist das zur Einhaltung der Vorgaben der DS-GVO tatsächlich erforderlich?
Bei der Anfertigung von Fotografien und Videos auf schulischen Veranstaltungen geht es rechtlich um zwei verschiedene Dinge, das Anfertigen selbst und die Veröffentlichung.
Der bayrische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri sieht kein Problem darin, wenn Eltern Fotos ihrer Kinder anfertigen und andere Kinder auf diesen Fotos als “Beiwerk” erscheinen. Allerdings macht es, wenn es um das Veröffentlichen in sozialen Netzwerken geht, seiner Meinung nach schon einen Unterschied, ob die Fotos irgendwo entstehen oder in einer Schule.
“Das Veröffentlichen von Fotos, die bei Schulveranstaltungen gemacht wurden, ist etwas heikler: Denn die Schule ist ein besonders geschützter Rahmen. Für das private Familienalbum ist das Fotografieren ok. Anders bei einer Veröffentlichung auf Facebook. Dann müssen Eltern mit Haftungsrisiken leben, wenn sich Eltern anderer mit abgebildeter Kinder gegen die Veröffentlichung zur Wehr setzen.” 2Datenschutz bei Kindern; Wenn Schulen und Kitas das Fotografieren verbieten, 05.07.2018
Genau in die gleiche Richtung argumentiert auch Thomas Stadler, ein Fachanwalt für IT- Recht, in seinem Beitrag “Fordert der Datenschutz ein Fotografierverbot auf Schulfesten?” Er sieht keine Erfordernis für ein Verbot, da sich aus der DS-GVO kein solches ableiten lasse. Vielmehr sieht er eine Anwendbarkeit der Datenschutz Grundverordnung in derartigen Fällen für nicht gegeben, wenn die Anfertigung der Fotos ausschließlich persönlichen und familiären Zwecken dient.
“Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO besagt, dass der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist, wenn natürliche Personen personenbezogene Daten zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erheben. Das trifft auf das Fotografieren auf Schulveranstaltungen zu rein privaten Zwecken unzweifelhaft zu.”
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass es zu dieser Frage auch andere Sichtweisen gibt. Kevin Leibold, Dipl. Jurist für Datenschutzrecht, IT-Recht und Urheberrecht ist der Meinung, dass die Anfertigung von Fotografien bei Schulfeiern durch die DS-GVO geregelt wird, da sie nicht unter die in Art. 2 Abs. 2c) beschriebene Ausnahme fällt:
“Auch für das Anfertigen der Fotos für bspw Schulfeiern ist mE nicht die Ausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. c #DSGVO einschlägig. So sieht es auch der EuGH-C-212/13 wonach diese Ausnahme eng auszulegen ist und die Miterfassung des öffentlichen Raumes dies ausschließt #heiseshow”3via Twitter https://twitter.com/kleibold23/status/1024966626792353792
Wie Aussagen des Thüringer Datenschutzbeauftragte Hasse 4Der Beitrag ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.[ 29.08.2020/mfn] zeigen, vertritt er diese Ansicht nicht alleine und fasst die Vorgaben sogar noch enger5“Da hat der Europäische Gerichtshof einen Riegel vorgeschoben indem er sagt, privat und familiärer Umkreis bedeutet, dass es im familiären und privaten Umkreis desjenigen der die Fotos macht, passiert. Dieser Kreis ist aber verlassen, wenn der Fotografierende oder Videografierende außerhalb dieses Kreises Aufnahmen macht. Also im öffentlichen Verkehrsraum oder dem Nachbargrundstück. Dann braucht man eine Einwilligung. Auch dann, wenn ich diese Bilder nicht veröffentlichen will.”; Kinderfotos schwärzen – muss das sein?; MDR Jump 02.08.2018 (Zitierte Seite ist mittlerweile nicht mehr online.). Die aktuelle Diskussion tendiert momentan allerdings etwas mehr in Richtung der Auffassung von Herrn Stadler.6Siehe auch die Diskussion auf Twitter, die auf Seite 2 dieses Beitrags wiedergegeben ist. Die Auslegung von Art. 2 Abs. 2c) hat schon viele Experten beschäftigt und füllt seitenlange Kommentare. Im Streitfall wird es dann letztlich eine Entscheidung der Richter sein. Unabhängig davon hat die Veröffentlichung der von Eltern auf Schulveranstaltungen angefertigten Fotos und Videos einen anderen rechtlichen Charakter. Hier ist nach Einschätzung von Thomas Stadler eine Einwilligung der Betroffen auf jeden Fall erforderlich.
“Wer also auf Instagram oder Facebook Fotos veröffentlicht, auf denen Personen zu erkennen sind, muss diese Menschen fragen, bevor er die Fotos postet.”
Im Alltag wird wohl kaum jemand eine solche Einwilligung einholen. In der Regel wird das auch nicht zu Problemen führen, da bei solchen Veranstaltungen fast jeder fotografiert. Dass es eventuell doch einmal zu rechtlichen Folgen kommen kann, ist allerdings nie auszuschließen. Darüber hinaus ist auch das letzte Wort noch nicht gesprochen, was das Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) und seine Stellung und Geltung gegenüber der DS-GVO angeht.
Fazit
Für Schulen lässt sich aus den Vorgaben der DS-GVO keine Notwendigkeit ableiten, Eltern, anderen Familienangehörigen und Freunden der Schülerinnen und Schüler das Anfertigen von Fotografien und Videos auf schulischen Veranstaltungen zu untersagen. Schulen stehen hier in keiner diesbezüglichen Pflicht. Was schon immer möglich war, ist auch weiterhin möglich. Wer als Besucher einer schulischen Veranstaltung mit familiärer oder freundschaftlicher Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern dort Fotos oder Videos anfertigt, sollte jedoch bei der Veröffentlichung in sozialen Medien eine ausreichende Sorgfalt walten lassen. So lassen sich Konflikte mit anderen Personen oder deren Angehörigen vermeiden, wenn diese auf Fotos oder Videos mit auftauchen.
Nachtrag August 2019
Wie nicht anders zu erwarten, kocht das Thema zum Ende der Schulferien im August 2019 erneut hoch. Die Rede ist von Schulen, die das Fotografieren verbieten. Viele Medien greifen das Thema auf.
Einer der wohl besten Beiträge stammt Rechtsanwalt David Seiler, der sich auf Fotorecht spezialisiert hat. In “Fotografierverbot an Schulen und Kitas wegen Datenschutz?“greift er die aktuellen Entwicklungen auf und erläutert umfassend die rechtliche Lage. Einen datenschutzrechtlichen Grund sieht auch er nicht, das Fotografieren zu verbieten.
Stand 08/2019
Moin zusammen,
gelten diese Regelungen weiterhin? Wir haben aktuell den Fall, dass aufgrund des “Wunsches” von Ausnahmen von den Auftritten einer freiwilligen Musical AG keine Aufnahmen gemacht werden sollen. Dieses Vetorecht einzelner Stößt auf absoluten Widerstand. Aus meiner Sicht zurecht – Möchte mich nur vorab schlau machen/ vorbereiten.
Danke und viele Grüße
Ich denke, mittlerweile sieht man die Sache entspannter als noch vor einigen Jahren nach Beginn der Umsetzung der DS-GVO. Tenor dess, was ich so lese ist: solange es keine spezielle Regelung im Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes oder hier der Hansestadt Hamburg gibt, können Eltern auf Schulveranstaltungen Fotos anfertigen, solange diese für den persönlichen Bedarf angefertigt werden. Das fällt dann unter die sogenannte Haushaltsausnahme. Für den persönlichen Bedarf meint hier für die engere Familie (die Kinder selbst, Eltern, Geschwister, Onkels, Tanten, Großeltern, …) als Erinnerung. Ausgenommen ist allerdings eine Veröffentlichung und davon spricht man bereits, wenn man die Bilder oder Videoclips an Arbeitskollegen schickt oder gar auf Social Media wie Instagram oder TicToc teilt. Um das tun zu können braucht es eine Einwilligung jeder abgebildeten Person – und diese muss vorab eingeholt werden – von der Person, die die Aufnahmen angefertigt hat.
Die Schulleitung hat weiterhin das Hausrecht und kann danach Aufnahmen verbieten.
Macht die Schule selbst die Aufnahmen, braucht sie hier in NRW aktuell eine Einwilligung für die Anfertigung der Aufnahmen und auch für die Veröffentlichung.