Nach §§120 – 122 Schulgesetz NRW gibt es nur zwei datenschutzrechtliche Grundlagen, sogenannte Erlaubnistatbestände, für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Schülern, Eltern und Lehrkräften: eine Rechtsvorschrift erlaubt sie oder die Betroffenen willigen ein. In Bezug auf Schüler heißt es deshalb in Abs. 1 §120 SchulG NRW,
“Schulen […] dürfen personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler, der in § 36 genannten Kinder sowie der Eltern verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschrift übertragenen Aufgaben erforderlich ist. […] Andere Daten dürfen nur mit Einwilligung der Betroffenen erhoben werden.”
Die im Schulgesetz aufgeführten Erlaubnistatbestände entsprechen den Buchstaben e und a in Art. 6 der Datenschutz Grundverordnung (DS-GVO). e entspricht dabei der Verarbeitung auf der Grundlage einer Rechtsvorschrift1lit. e “die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;”2Eine entsprechende Vrogabe findet sich auch in §3 Bundesdatenschutzgesetz, “Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine öffentliche Stelle ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, erforderlich ist.” . a entspricht der Verarbeitung auf Grundlage einer Einwilligung der betroffenen Person3lit. a “Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;”.
Auch wenn eigentlich aufgrund der Vorgaben aus dem Schulgesetz klar sein sollte, dass es keine anderen Erlaubnistatbestände gibt, welche in Schule eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten rechtfertigen können, kommt trotzdem immer wieder die Frage auf, ob es für Schulen auch zulässig ist, eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Schülern, Eltern und Lehrkräften auch auf der Grundlage von Art. 6 Buchstabe f4“die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.” durchzuführen? Das meint die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen, hier also der berechtigten Interessen der Schule. Kann eine Schule eine Interessenabwägung vornehmen zwischen ihren eigenen Interessen und denen der Betroffenen, und eine Verarbeitung auch ohne Einwilligung oder gesetzliche Grundlage vornehmen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass die Interessen der Schule überwiegen?
Dazu gibt es sogar in der DS-GVO eine Antwort. Direkt unter Buchstabe f findet sich in Art. 6 DS-GVO ein Passus, welcher Behörden von dieser Regelung ausnimmt.
“Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.”
Eine Schule ist eine öffentliche Stelle und verwaltungstechnisch eine Behörde.5„Im Schulbereich ist Behörde im Sinne des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) jede Schule in öffentlicher Trägerschaft, …“ ), in Raabe, Schulleitung Online, Verwaltungsakt-Rechtsbegriff. Entsprechend ist die Ausnahme auf Schulen in öffentlicher Trägerschaft anzuwenden.
In einem Dokument des Europäischen Rates65419/1/16 REV 1 S. 277Eine gleichlautende Aussage findet sich auch in Erwägungsgrund 47 wird erläutert, warum Art. 6 lit. f nicht auf Behörden angewendet werden soll:
“Da es dem Gesetzgeber obliegt, per Rechtsvorschrift die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Behörden zu schaffen, sollte diese Rechtsgrundlage nicht für Verarbeitungen durch Behörden gelten, die diese in Erfüllung ihrer Aufgaben vornehmen.”
Diese “Ausnahme ist dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts geschuldet”8Buchner / Petri in Kühling / Buchner Art. 6 Rn. 157
Das heißt, für Verarbeitungen von personenbezogenen Daten, welche eine Schule in Erfüllung ihrer Aufgaben, vornimmt, ist Art. 6 lit. f nicht anwendbar, denn hier ist Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten das SchulG NRW und daraus abgeleitete Verordnungen. Schulen können demnach in dem Bereich, wo es um die Erfüllung ihrer Aufgaben als Schule geht, keine Verarbeitung auf der Grundlage einer Interessenabwägung vornehmen.
Die DS-GVO kann durchaus in bestehende datenschutzrechtliche Vorgaben eingreifen, wie das etwa bei der Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen entsprechend Art. 8 Abs. 1 der Fall ist. Sie kann aber keine neuen Erlaubnistatbestände in bestehende Regelungen einführen. Und selbst wenn dieses möglich wäre, so ist von der DS-GVO für den in Frage stehenden Bereich, die Interessenabwägung, nicht einmal vorgesehen.