Ein Grundsatz der Datenschutz Grundverordnung ist die Datenminimierung. Art. 5 Abs. 1 lit c DS-GVO gibt vor, dass personenbezogene Daten
“auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein”
müssen. Der Zeitraum der Aufbewahrung muss auf das
“unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt”
bleiben.
Das gilt entsprechend auch für öffentliche Stellen wie Schulen. Für Schulen in NRW sind die Aufbewahrungsfristen durch die VO-DV I § 9 (Schüler) und VO-DV II § 9 (Lehrkräfte) geregelt. Die Aufbewahrungsfristen betragen je nach Datenart zwischen 1 und 50 Jahren.
Für die personenbezogenen Daten von Lehrkräften gilt laut VO-DV II § 9 Abs. 4
“Akten und Dateien, deren Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, sind dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten. Erfolgt keine Übernahme der Akten oder Dateien durch das Archiv, sind sie zu vernichten oder zu löschen.”
Bei Schülern ist der Wortlaut von VO-DV I unter §9 Abs. 3 nahezu identisch. Es gibt jedoch einen bedeutenden Unterschied. Die auf privaten Endgeräten von Lehrkräften verarbeiteten personenbezogenen Daten aus der Schule sind nach § 2 Abs. 2 VO-DV I von der Vorgabe, sie zunächst dem Archiv anzubieten, ausgenommen.
Betroffen von dieser Regelung sind hier also, von der einen Ausnahme abgesehen, alle personenbezogenen Daten, auch die besonderen Kategorien, ohne Unterschied.
Wie berechnen sich die Aufbewahrungsfristen?
Die Aufbewahrungsfristen betragen bei Schülerinnen und Schülern je nach Kategorie zwischen 5 (Nr. 4 “alle übrigen Daten”) und 50 Jahren (Nr. 1 “Zweitschriften von Abgangs- und Abschlusszeugnissen”). Bei korrekter Umsetzung der Aufbewahrungsfristen für “alle übrigen Daten” gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 “Die Aufbewahrungsfristen beginnen mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Akten oder Dateien abgeschlossen worden sind, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schulpflicht endet, sofern nichts anderes bestimmt ist.” bewahrt eine Grundschule Entschuldigungen und Atteste dann in der Regel 15 Jahre auf. Ein Beispiel:
Schüler A verlässt die Grundschule nach 4 Jahren Schulbesuch im Sommer 2022. Die Schulpflicht beträgt in der Primarstufe und der Sekundarstufe I (Vollzeitschulpflicht) gem. § 37 SchulG NRW in der Regel zehn Schuljahre. Die Grundschule rechnet nun 6 Jahre hinzu und kommt so auf den Sommer 2028, in welchem die Schulpflicht von Schüler A endet. Die Aufbewahrungsfrist von 5 Jahren beginnt jedoch erst nach Ende des Kalenderjahres, in dem die Schulpflicht endet, in diesem Fall also ab dem 01.01.2029. Damit muss die Grundschule die Entschuldigungen und Atteste als Bestandteil von alle übrige Daten von Schüler A bis zum Ende des Kalenderjahres 2033 Aufbewahren und kann sie dann im Januar 2034 datenschutzgerecht löschen bzw. vernichten. Schülerstammblätter, die eine Aufbewahrungsfrist von 20 Jahren haben, müssen noch einmal 15 Jahre länger aufbewahrt werden, also bis Ende 2048. Für Zeugnislisten, Zeugnisdurchschriften, Unterlagen über die Klassenführung (Klassenbuch, Kursbuch) Schüler A betreffend endet die Aufbewahrungsfrist 10 Jahre früher, also Ende 2038.
Bei Schulen der Sekundarstufe I und II rechnen sich die Aufbewahrungszeiten entsprechend und betreffen dort auch weitere Daten
Entschuldigungen und Atteste unterliegen den Aufbewahrungs- und Löschpflichten gem. § 9 (1) Nr. 4, da sie unter “alle übrigen Daten” fallen. Mehr dazu unter Entschuldigungen – Aufbewahrungspflicht.
Hinweis: Bezieht man auch § 38 SchulG NRW in die Berechnung der Schulpflicht mit ein, verlängern sich die Aufbewahrungs- und Löschfristen entsprechend noch einmal.
Mal eben löschen bzw. schreddern ist nicht
In der Praxis bedeutet dieses, einfach mal die Dateien löschen bzw. die Akten schreddern, sobald die in den VO-DV I & II vorgegebenen Fristen abgelaufen sind, ist nicht zulässig. Der Grundsatz “sind dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten” ist keine Option, sondern eine verbindliche Vorgabe.
Dem Archiv anbieten
Zwischen jeder Schule und dem zuständigen Archiv bzw. den kommunalen Schulverwaltungsämtern von Gemeinde, Stadt oder Kreis sollte es eine Absprache geben,
- welche Dateien und Akten man dort aufbewahren möchte und
- wie und wann jeweils die Übernahme erfolgen soll.
Dieses sollte einmalig abgesprochen, schriftlich fixiert werden und Bestandteil des schulischen Löschkonzeptes sein, sofern es ein solches gibt. Welche personenbezogenen Daten einem Archiv als wertvoll für eine Übernahme erscheinen, wird von Archiv zu Archiv unterschiedlich sein und von Personen und Ressourcen abhängen. Während manche Archive sich auf Abgangszeugnisse und Klassenbücher beschränken mögen, könnten andere vielleicht auch Interesse an Fördergutachten und anderen besonderen Datenkategorien haben. Es geht hier also um eine kontinuierliche Übernahme von Unterlagen durch die Archive aus den Schulen und keine einmalige Angelegenheit.
Archive sind bei der Verarbeitung der von Schulen übernommenen personenbezogenen Daten strengen Vorgaben zum Schutz dieser Daten unterworfen..
In vielen Schulen werden Dateien und Akten vermutlich nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist einfach gelöscht bzw. vernichtet. Das kann je nach Inhalten weder im öffentlichen Interesse liegen noch hilfreich für zukünftige historische oder wissenschaftliche Forschung sein. Was, wenn unter den eigenen Schülern eine Person ist, die in der Zukunft historische Bedeutung erlangt, ob als Politiker, Künstler, Wissenschaftler oder sonst? Auch für zukünftige Forschungsarbeiten zur Veränderung von Schule und Bildung oder vielleicht zur Entwicklung von sonderpädagogischem Unterricht in Regelschulen könnten personenbezogene Daten aus der Schule von Bedeutung sein.
Drei Schritte
Für die Praxis des Umgangs mit personenbezogenen Daten von Schülern und Lehrkräften bedeutet das nach deren Abgang von der Schule bzw. Ausscheiden aus dem Dienst an der Schule drei Schritte in der weiteren Verarbeitung dieser Daten.
- Aufbewahrung bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist
- Aussonderung für Übernahme durch ein Archiv oder
- endgültige Löschung bzw. Vernichtung
Für die Schulchronik verwenden
Hinweis! Mit der Verordnung zur Änderung von Verordnungen über die im Schulbereich zur Verarbeitung zugelassenen Daten vom Dezember 2021 haben sich die Regelungen zur Führung einer Schulchronik deutlich geändert. Der Umfang der personenbezogenen Daten, welche weiterhin zum Führen einer Schulchronik zulässig ist, wurde stark reduziert. Außerdem wurde klargestellt, dass die Schulchronik ein internes Dokument ist und eine Veröffentlichung nicht zulässig. Für historische Schulchroniken wurde ein Übergangsvorschrift geschaffen.
In §9 Abs. 45 VO-DV I (Schüler:innen) und in §9 Abs. 6 VO-DV II (Lehrkräfte, Lehramtsanwärter und sonstiges an Schulen tätiges Personal ) ist geregelt, welche personenbezogenen Daten zur Führung einer nicht öffentlichen Schulchronik (Daten zur Schulgeschichte) zeitlich unbefristet verwendet werden dürfen.
Schüler:innen
- Name, Vorname und
- Jahr der Beendigung des Schulverhältnisses.
Lehrkräfte, Lehramtsanwärter und sonstiges an Schulen tätiges Personal
- Name(n), Vorname(n)
- Daten über Art und Dauer der Beschäftigung an der Schule.
Details zur Neufassung der Norm zur Führung von Schulchroniken finden sich unter Schulchronik – Änderungen VO-DV I & II.
Schulen in Auflösung
Die Vorgaben, “Akten und Dateien, deren Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, sind dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten”, gilt auch für Schulen in Auflösung. Wird eine Schule aufgelöst, müssen die Vorgaben der VO-DV I & II zu Aufbewahrungs- und Löschfristen weiterhin eingehalten werden.
Mit der Änderung der VO-DV I von März 2022 gibt es nun eine rechtsverbindliche Vorgabe, wie mit den Lösch- und Aufbewahrungsfristen von Schulen zu verfahren ist, wenn diese geschlossen werden. Die Neuregelung findet sich in § 9 Abs. 4 VO-DV I. Demnach übernimmt eine andere Schule die Pflichten der geschlossenen Schule. Das betrifft sowohl die Aufbewahrung als auch die Sicherstellung der Betroffenenrechte, ehemaliger Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte, etwa wenn diese Einsicht nehmen wollen oder Auskunft gem. Art. 15 DS-GVO verlangen. Der Datenbestand der auslaufenden Schule wird dazu anderen Schule übermittelt.
Löschen mit Konzept
Da das Thema Aufbewahren und Löschen sehr komplex ist, sollte jede Schule ein Löschkonzept haben, in welchem klar und übersichtlich geregelt ist, welche Daten wie lange aufzubewahren sind, welche Daten dem örtlichen Archiv übergeben werden, wie verschiedene Daten gelöscht bzw. vernichtet werden und wer in Bezug auf die verschiedenen Prozesse im Zusammenhang mit den anfallenden Tätigkeiten zuständig ist. Die Vorlage bietet eine Grundlage für die Erstellung eine eigenen Löschkonzeptes.
Nachlesen
Wer sich intensiver mit der Thematik der Übernahme von Daten aus der Schule an Archive beschäftigen möchte, dem sei der Fachbeitrag “Zuständigkeiten, Aufbewahrungsfristen, Kontaktpflege – Vorfeldarbeit als Garant für eine strukturierte Überlieferungsbildung im Bereich Schulen.pdf” empfohlen. Es geht, wie man dort nachliest, nicht nur um personenbezogenen Daten aus der Schule. Auch andere Daten, etwa zur Budetierung, sind für Archive von Interesse. Entsprechende Regelungen finden sich im Archivgesetz Nordrhein-Westfalen – ArchivG NRW.
Wer sich intensiver mit dem Thema Löschen mit Konzept auseinandersetzen möchte, dem sei die frei einsehbare Entwurfsfassung der DIN 66398 empfohlen, die unter Leitlinie zur Entwicklung eines Löschkonzepts mit Ableitung von Löschfristen für personenbezogene Daten.pdf (Version Stand 2022) zu finden ist.
FAQ Lösch- und Aufbewahrungsfristen
- Betreffen die Löschfristen auch Daten in SchiLD-NRW?
- Unterliegen auch E-Mails zwischen Schule und Eltern einer Aufbewahrungspflicht?
- Ja, doch ob ein E-Mail aufbewahrungspflichtig ist, hängt von seinem Gegenstand ab. Die Kommunikation zwischen Schule und Eltern gehört zu den in Anlage 2 VO-DV I unter sonstiger Datenbestand aufgeführten Dateien und Akten. “Soweit [diese] Kommunikation den in Anlage 2 – insbesondere den dort unter II. Nr. 1 – aufgeführten Datenbestand betrifft, ist sie insoweit aufbewahrungspflichtig.” E-Mails, welche die genannten Voraussetzungen erfüllen, sollten unter § 9 Abs. 1 Nr. 4 VO-DV I fallen und damit eine Aufbewahrungsfrist von 5 Jahren haben.
- Müssen schriftliche Lernzielkontrollen gem. § 9 VO-DV I aufbewahrt werden?
- Nein, schriftliche Arbeiten gehören nicht zu den Daten, welche unter die Aufbewahrungs- und Löschfristen fallen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind schriftliche Arbeiten nicht unter den zur Verarbeitung zugelassenen Daten (Anlage 1 – 3) aufgeführt und zum anderen sind sie, wenn sie auf dem eigenen Papier oder in den eigenen Heften der Schülerinnen und Schüler angefertigt wurden, deren Besitz. Mit der Frage haben sich auch Gerichte befasst. In seinem Beschluss stellt das Oberverwaltungsgericht Münster 2022 (19 B 2003/21) fest: “Ganz ähnlich gehören auch zu den weiteren Informationssammlungen nur die Notenliste (Notenbuch der Lehrkraft) mit Einzelnoten oder ggf. Teilleistungsnoten je Fach/Kurs aus Klassenarbeiten, Kursarbeiten, Klausuren und aus den Ergebnissen der sonstigen Mitarbeit mit Noten bzw. Punktbewertung sowie Aufzeichnungen zum Arbeits- und Sozialverhalten (Nr. II.4 der Anlage 2 zu § 4 Abs. 5 VO-DV I), nicht aber gehören auch die Klassenarbeiten, Kursarbeiten oder Klausuren selbst zu diesen weiteren Informationssammlungen.” Eine Ausnahme können Kopien schriftlicher Arbeiten sein, welche eine Lehrkraft zur Beweissicherung, etwa zur Dokumentation einer Täuschung, anfertigt.
Stand 06/2023