Ist die Nutzung von nicht vom Schulträger zur Verfügung gestellten Plattformen illegal?

Lesezeit: 8 Minuten

In der 18. Kalenderwoche 2024 ging Schulen im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Arnsberg ein Schreiben zu, welches dort für sehr viel Kopfzerbrechen sorgte. Das Schreiben ist die späte Folge eines Falles, bei welchem ein Vater gegen die Nutzung von Google Workspace for Education an einem Dortmunder Gymnasium geklagt hatte und damit durch alle Instanzen bis vor das Oberverwaltungsgericht NRW gegangen war. Das Verfahren endete im Juli 2023 mit einer Selbstverpflichtung der BR Arnsberg, der betreffenden Schule die Nutzung der Plattform zu untersagen. Schon zu der Zeit machte man sich bei der BR Arnsberg Gedanken, welche Konsequenzen der Beschluss des Senats aus drei Richtern über die eine Schule hinaus haben könnte oder auch müsste.

Das Verfahren vor dem OVG

Zur Erinnerung: die Richter hatten sich nicht mit der möglicherweise nicht bestehenden DS-GVO Konformität von Google Workspace for Education befasst, die Klagegrund des Vaters gewesen war, sondern zogen sich auf Verwaltungsrecht zurück und stellten fest, dass die Schule die Plattform gar nicht hätte nutzen dürfen, da sie ihr nicht gem. § 79 SchulG NRW vom Schulträger zur Verfügung gestellt worden war und die Schule dem Schulträger auch nicht die Datenschutzkonformität nachgewiesen hatte. Damit war der Fall für die drei Richter erledigt. Sie hatten bei ihren Überlegungen auch festgestellt, dass der Schulträger bei der Auswahl einer Plattform dafür Sorge tragen muss, dass sie datenschutzkonform nutzbar ist. Sollten Schüler oder Eltern Zweifel an der Datenschutzkonformität hegen, müsse der Schulträger den Nachweis führen. Letzteres sorgte in der Fachwelt für Aufsehen, da die Richter hier dem Schulträger eine Verantwortung zusprachen, welche laut Schulgesetz NRW bei der Schulleitung liegt.1Die hier von dem OVG NRW vertretene Ansicht dürfte daher in der Praxis deutliche Probleme bei den Schulträgern bzw. deren behördlichen Datenschutzbeauftragten auslösen. Wenn man der Auffassung des Gerichts konsequent folgen würde, so würde die Grenze der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit an der Schnittstelle zwischen innerer und äußerer Schulangelegenheit verwischen.” – (ZD 2023, 627, beck-online) Interessanterweise hatte das OVG aber auch beschrieben, dass die Schule bzw. Schulleitung es versäumt hatte, dem Datenschutzbeauftragten des Schulträgers “den mit Google konkret abgeschlossenen „Vertrag zur Auftragsbearbeitung“ und das „Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten“ zur Prüfung vorzulegen, um die Datenschutzkonformität nachzuweisen.2Die Schule selbst widerspricht dieser Aussage. Entsprechende Unterlagen hätten “nachweislich sowohl den Datenschutzbeauftragten der Dortmunder Schulen als auch der Bezirksregierung Arnsberg” vorgelegen. Im Verfahren sei dies jedoch nicht klargestellt worden von Seiten der Bezirksregierung.

Das Schreiben der BR Arnsberg

Das Schreiben vom 02.05.2024 richtet sich an die Schulleitungen der öffentlichen Schulen im Regierungsbezirk Arnsberg und hat den Betreff Nutzung von Lehr- und Lernmanagementsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form. Es wird auf das 16. Schulrechtsänderungsgesetz verwiesen, sowie § 8 Abs. 2 SchulG NRW sowie § 79 SchulG NRW. Aus diesen beiden folge:

Die Einführung und Nutzung anderer als von dem Schulträger bereitgestellter digitaler Lehr- und Lernmanagementsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen widerspricht den schulrechtlichen Vorschriften und ist somit rechtswidrig.

Und dieses gelte auch für Lehr- und Lernmanagementsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen, die bereits vor März 2022 “eigenständig von der Schule eingeführt” worden seien, da die Einführung der neuen Regelung in § 8 Abs. 2 SchulG NRW “lediglich eine klarstellende Funktion” habe.

Die Bezirksregierung begründet ihr Vorgehen damit, dass “die Umstellung […] zur rechtlichen Absicherung der bisherigen Praxis und zur Erfüllung des Bildungsauftrags zwingend notwendig” sei.

Es erfolgt dann noch einmal klar und deutlich, welche Konsequenz sich für Schulen daraus ergibt: “Ich weise darauf hin, dass die Nutzung anderer als vom Schulträger bereitgestellten digitalen Lehr- und Lernmanagementsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen einzustellen ist und ein Wechsel zu den bereitgestellten Systemen und Plattformen des Schulträgers oder zu LOGINEO NRW zu erfolgen hat.

Es wird dann eine Frist zum Umstellung auf vom Schulträger bereitgestellte Plattformen gesetzt, die zu Beginn des Schuljahres 2024/25 endet. Um Härten zu vermeiden, soll “Schülern sowie den Lehrkräften jedoch ein Zugriff auf die Daten in den bisher genutzten Lehr- und Lernmanagementsysteme bzw. Arbeits- und Kommunikationsplattformen bis zum Ende des Schuljahres 2024/2025 ermöglicht werden.

Was bedeutet das für die Praxis?

Das Schreiben hat, wenn Schulen es konsequent umsetzen, enorme Folgen. Das sieht man auch bei der Bezirksregierung: “Mir ist bewusst, dass diese Umstellung mit einem erheblichen Arbeitsaufwand und weitreichenden Veränderungen der innerschulischen Organisation verbunden sein kann.”

Es stellt sich jedoch eine Frage: Schießt die Bezirksregierung hier nicht deutlich über das Ziel hinaus?

Schaut man sich das 16. Schulrechtsänderungsgesetz und die Begründungen zum Entwurf dazu an, dann geht dort aus keiner Formulierung hervor, dass man im MSB mit der Ergänzung von § 8 Abs. 2 SchulG NRW  eine Klarstellung bezüglich zuvor eingeführter Plattformen beabsichtigte. Vielmehr ging es dem Land darum, den schulischen Einsatz digitaler Lehr- und Lernsysteme sowie digitaler Arbeits- und Kommunikationsplattformen gesetzlich zu verankern. Durch die Ergänzung von § 65 Abs. 2 Nr. 6 und § 120 Abs. 5 Satz 2 wurde dann aufbauend auf dieser Rechtsnorm die Möglichkeit geschaffen, vom Schulträger vorgeschlagene Lehr- und Lernsysteme sowie digitale Arbeits- und Kommunikationsplattformen zu einer verpflichtenden Nutzung an der Schule einzuführen. In der Erläuterung hob der Gesetzgeber hervor, dass diese Entscheidungsbefugnis der Schulkonferenz sich nicht auf vor Inkrafttreten des 16. Schulrechtsänderungsgesetzes eingeführte Plattformen erstreckte.

Auf den Punkt gebracht, ging es dem Gesetzgeber beim 16. Schulrechtsänderungsgesetz mit Blick auf Digitalisierung vor allem um eines:

Den Erfordernissen der Zeit folgend, auch mit Blick auf die Erfahrungen während der Corona Pandemie, wollte man Schulen eine Rechtsgrundlage geben, welche ihnen die Möglichkeit gibt, zwei der wichtigsten Kategorien von digitalen Plattformen zukünftig auch ohne die rechtlich ohnehin umstrittenen Einwilligungen3(in die dazu erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu unterrichtlichen Zwecken bzw. zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags) zu nutzen.

Weder im 16. Schulrechtsänderungsgesetz noch in den Begründungen zum Entwurf des Gesetzes findet sich irgendein Hinweis darauf, dass man damit die Nutzung von zuvor eigenständig beschafften Plattformen für illegal erklären wollte. Es wurde lediglich deutlich gemacht, dass die Entscheidungsbefugnis der Schulkonferenz sich zum einen nur auf Plattformen der genannten Kategorien beschränkt, welche vom Schulträger zur Nutzung vorgeschlagen wurden, und dass sie sich nicht auf zuvor angeschaffte Plattformen erstreckt. Eine “klarstellende Funktion“, welche die Bezirksregierung Arnsberg in der Aufnahme der neuen Regelungen ins Schulgesetz sieht, ist aus keiner Formulierung in den Begründung zum Entwurf des Schulrechtsänderungsgesetzes herleitbar.

Der Senat des OVG hatte extra ausgeführt, dass die Schule dem Schulträger bzw. seinem Datenschutzbeauftragten die Datenschutzkonformität nicht durch Vorlage eines Verfahrensverzeichnisses und des Vertrags zur Auftragsverarbeitung mit Google nachgewiesen hatte.4Was so sachlich nicht korrekt ist. Siehe Fußnote 1 oben. Warum wurde das von den Richtern aufgenommen? Wäre die Nutzung durch die Schule rechtmäßig gewesen, hätten sie dem Schulträger die Datenschutzkonformität nachgewiesen? Möglicherweise sahen die Richter dies als eine Option, wie der Schulträger seiner ihm vom Senat zugeschriebenen Verantwortung bezüglich der Datenschutzkonformität von in der Schule genutzten Plattformen nachkommen und damit in die Bereitstellung eingebunden werden kann.

In der Bezirksregierung Arnsberg hatte man nach dem Verfahren vor dem OVG NRW festgestellt, dass auch die Beantragung von Logineo NRW nicht mit dem Schulgesetz vereinbar sei, da hier die Schule die Beauftragung starte und den Schulträger in diesem Prozess informieren muss. Dies, so die BR Arnsberg müsse genau anders herum sein. Folgt man der Argumentation der Bezirksregierung in ihrem Schreiben an die Schulleitungen, müssen diese auch die Nutzung von Logineo NRW in der gesetzten Frist einstellen, da sie rechtswidrig ist. Oder ist durch die Einbindung des Schulträgers die Einführung dann nicht mehr “eigenständig“? Und welche Rolle spielt es, dass die Plattform  der Schule genau genommen durch das Land zur Verfügung gestellt wird?

Schulen nutzen heute viele Plattformen und Apps, die je nach Nutzungsszenario auch personenbezogene Daten verarbeiten können. Dazu gehören auch kostenlose Apps und Plattformen. Einige der kostenlosen Plattformen werden von Anbietern mit eingeschränkten Funktionen zur Verfügung gestellt. Einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung können Schulen aber trotzdem abschließen. Die Finanzmittel des Schulträgers braucht es hier nicht. Mitunter finanziert der Förderverein der Schule eine Plattform, da der Schulträger die Mittel nicht hat, oder eine Firma sponsert die Schule. Einige Schulen nutzen von Firmen gespendete Hardware, etwa Laptops oder Tablets.

An vielen Schulen erfolgt der Kauf von Apps für iPads im VPP Store durch Lehrkräfte, da man so schnell und unbürokratisch entscheiden kann. Gibt es Angebote, die nur einen Tag gültig sind, kann so schnell gehandelt werden. Das Budget für den VPP Store stellt der Schulträger bereit. Eine Kontrolle, welche Apps erworben werden, findet nicht statt. Kaufen die Schulen damit die Apps “eigenständig” oder nicht?

Was können Schulen tun?

In der Regel stimmen sich Schulen mit ihrem Schulträger ab, bevor sie aus ihrem eigenen Etat eine digitale Plattform beschaffen. Das ist sinnvoll, da viele Schulen auf technische und administrative Unterstützung durch den Schulträger oder einen beauftragten Dienstleister angewiesen sind. Selbst wenn die Schule die Administration selbst übernimmt, ist der Schulträger in den meisten Fällen im Bild. Das gilt auch, wenn der Förderverein oder ein Sponsor der Schule Hardware oder eine Plattform zur Verfügung stellt. Mitunter kann ein Schulträger seinen Schulen keine zusätzlichen Finanzmittel für die Beschaffung einer Plattform bereitstellen und gibt der Schule zu verstehen, dass sie das aus eigenen Mitteln leisten muss. Das Geld der Schule stammt ohnehin vom Schulträger und wurde der Schule als Etat zugewiesen. Auch wenn bei Schulen immer noch eine Trennung über innere und äußere Angelegenheiten erfolgt, ist der Schulträger letztlich Eigentümer, auch von Dingen, welche eine Schule aus ihrem Etat bezahlt hat. Zusammenfassend kann man feststellen, dass Schulen nur selten “eigenständig” handeln, wenn sie eine Plattform oder ein System aus ihrem Etat beschaffen oder von anderer Seite zur Verfügung gestellt bekommen. Der Schulträger ist nahezu immer zumindest informiert, häufig aber auch beteiligt. Von daher kann man davon ausgehen, dass Schulen, wenn überhaupt, nur sehr wenige Systeme oder Plattformen tatsächlich eigenständig eingeführt haben und nutzen. Zudem kann man davon ausgehen, dass solange ein Schulträger informiert war und anschließend keine Einwände äußerte, er damit der Schule seine stillschweigende Zustimmung erteilt hat.

Damit war die Einführung und ist die Nutzung der meisten Systeme und Plattformen auch nicht rechtswidrig im Sinne der Auffassung der BR Arnsberg, und sie fallen somit auch nicht unter die im Schreiben gesetzte Frist.

Wie schon im Beitrag zum 16. Schulrechtsänderungsgesetz erläutert, kann die Schulkonferenz erst seit Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung in § 65 Abs. 2 Nr. 6 über vom Schulträger vorgeschlagene Systeme und Plattformen entscheiden. Über bereits vorher eingeführte Systeme und Plattformen kann die Schulkonferenz nicht entscheiden. Entsprechend heißt es in den Erläuterungen zum Entwurf des 16. Schulrechtsänderungsgesetzes bezüglich des Rahmens, in welchem die Schulkonferenz über vom Schulträger vorgeschlagene Systeme entscheiden kann: “Die Schulkonferenz kann allerdings nur in dem Rahmen entscheiden, den der Schulträger bereitstellt. Dabei wirkt die Schulkonferenz an der Entscheidung mit, wenn ein Vorschlag seitens des Schulträgers unterbreitet wird, d.h. neue Systeme und Plattformen eingeführt oder wesentlich verändert werden. Auf bisher existierende und bereits genutzte Systeme und Plattformen erstreckt sich die Entscheidungsbefugnis nicht.

Das ist mit Blick auf bereits vorher eingeführte Systeme und Plattformen ungünstig, vor allem wenn diese sonst alle Voraussetzungen mitbringen und man ihre Nutzung gerne verpflichtend machen möchte. Die Logineo NRW Plattformen sind ein gutes Beispiel dafür. Aufgrund der Dienstvereinbarungen mit den Hauptpersonalräten ist ihre Nutzung bisher nur mit Einwilligung, d.h. auf freiwilliger Basis möglich. Diese Regelung wird aber ziemlich sicher irgendwann, wenn MSB und Hauptpersonalräte sich einigen können, entfallen. Wie im Zitat aus der Begründung zum Gesetzesentwurf deutlich wird, war sich der Gesetzgeber bewusst, dass es eine Möglichkeit geben muss, § 65 Abs. 2 Nr. 6 auch auf bereits bestehende Plattformen (wie Logineo NRW) anwenden zu können. Diese Möglichkeit eröffnet sich durch die wesentliche Veränderung.

Eine wesentliche Veränderung kann bei einem System oder einer Plattform sein, wenn Funktionen hinzukommen oder entfallen, es ein größeres Update gibt, durch welches sich die Funktionsweise der Plattform verändert, der Anbieter die Nutzungsbedingungen und/ oder Datenschutzbestimmungen verändert, sich die Art der Nutzung verändert, neue Nutzergruppen hinzukommen und ähnlich.

Fazit

Das Schreiben der BR Arnsberg vertritt eine Auslegung der Regelungen, welche mit dem 16. Schulrechtsänderungsgesetz eingeführt wurden, die extrem restriktiv ist und deren Herleitung für den Autoren dieser Seite nicht nachvollziehbar ist. In seinen Formulierungen ist das Schreiben nicht weit von einer dienstlichen Anweisung entfernt. Stattdessen wird darauf hingewiesen, “dass die Nutzung anderer als vom Schulträger bereitgestellten digitalen Lehr- und Lernmanagementsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen einzustellen ist und ein Wechsel zu den bereitgestellten Systemen und Plattformen des Schulträgers oder zu LOGINEO NRW zu erfolgen hat.

Blickt man genauer auf die in Schulen aktuell genutzten Systeme und Plattformen, welche eine Schule nicht unmittelbar vom Schulträger zur Verfügung gestellt wurden, so kann man davon ausgehen, dass diese nur selten tatsächlich eigenständig von den Schulen eingeführt wurden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Schulkonferenz entscheiden zu lassen, wenn es an einem bereits genutzten System oder einer bereits genutzten Plattform zu wesentlichen Veränderungen kommt. Der Schulträger muss der Schulkonferenz dann einen entsprechenden Vorschlag zur Nutzung unterbreiten.

Anlage: Vorschlag zur Nutzung digitaler Plattformen und Software gemäß Schulgesetz NRW.docx5Hinweis: Dieses Muster ist ein Vorschlag, wie ein entsprechende Schreiben des Schulträgers an die Schulkonferenz aussehen könnte.

Was heißt das alles jetzt eigentlich für den Schulträger?

Müssen Schulträger jetzt für jede App und Plattform, welche sie einer ihrer Schulen zur Nutzung vorschlagen wollen, eine umfangreiche Datenschutzprüfung in Auftrag geben? Davon ist ziemlich sicher nicht auszugehen. Es sollte reichen, wenn sich die behördlich bestellten schulischen Datenschutzbeauftragten die Plattform ansehen und eine einfache Bewertung vornehmen. Mit Recherche findet man oftmals bereits Hinweise aus anderen Quellen, ob eine Plattform datenschutzfreundlich nutzbar ist oder nicht. Wenn ein anderes Bundesland eine Plattform offiziell seinen Schulen bereitstellt, wie etwa itslearning in Baden Württemberg, HPI Schul-Cloud in Brandenburg, fobizz in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen oder bettermarks in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Berlin und Bremen, kann man sich als Schulträger daran orientieren. Handelt es sich um eine Plattform, die über Vidis vermittelt wird, kann sich der Schulträger darauf verlassen, dass eine Datenschutzprüfung vor Aufnahme erfolgt ist. Zu den Informationen, welche ausgewertet werden sollten, gehören natürlich auch die Dokumentation des Anbieters und seine Zusicherung der DS-GVO Konformität. Bezüglich dieser Aussagen eines Anbieters kann man dann auf das OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.09.2022 – 15 Verg 8/22 verweisen. Der Beschluss sagt, dass solange es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass die vertraglichen Zusagen des Anbieters zweifelhaft sind, ein öffentlicher Auftragsgeber auch nicht gehalten ist, durch Einholung ergänzende Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters (meint hier einen Anbieter, der einen Auftrag zur Bereitstellung einer Plattform haben will)  zu prüfen. Zu dem Leistungsversprechen gehört auch die Zusage, dass man DS-GVO konform sei. – https://openjur.de/u/2449559.html. Mancher Schulträger mag sich an der Stelle vielleicht fragen, ob er Garantien für den Datenschutz übernimmt? Angenommen es kommt erneut zu einem Fall, der dem vor dem OVG vergleichbar ist, und der Schulträger müsste darlegen, ob und wie er vorab oder auch im Nachhinein geprüft hat, ob die Plattform datenschutzrechtlich unbedenklich ist. Das Gericht muss letztlich akzeptieren, was der Schulträger angibt, wenn dieser vorgegangen ist, wie zuvor beschrieben, zumal weder das Schulgesetz noch ein anderes Recht dem Schulträger konkret eine datenschutzrechtliche Verantwortung zuschreibt, wie dieses die Richter des Senats des OVG getan haben.

16. Schulrechtsänderungsgesetz und Datenschutz

Lesezeit: 11 Minuten

Am 23. Februar 2022 wurde das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen (16. Schulrechtsänderungsgesetz) vom Landtag NRW verabschiedet und damit unmittelbar wirksam. Es enthält auch Änderungen, welche das Thema Datenschutz betreffen und sehr weitreichende Auswirkungen auf die Nutzung digitaler Medien im Unterricht haben werden. Das gilt vor allem mit Blick auf die verpflichtende Nutzung von unterrichtlich genutzten Plattformen, einschließlich Videokonferenz Plattformen.

Auch schon vor dieser Gesetzesänderung war es in NRW durchaus möglich, die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei der Nutzung von unterrichtlich eingesetzten Plattformen zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages auf das Schulgesetz NRW und die VO-DV I & II in Verbindung mit den höherrangigen Rechtsnormen zu stützen. Die personenbezogenen Daten von Schülerinnen und Schülern und Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Personal an den ZfsL, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern und Lehrkräften in Ausbildung betreffend, erfolgte dieses durch Hinzuziehung von Art. 6 Abs. 1 lit. e und Abs. 3 lit. b DS-GVO, und die Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern betreffend, erfolgte dieses unter Hinzuziehung von.  Art. 6 Abs. 1 lit. e und Abs. 3 lit. b DS-GVO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 DSG NRW. Eine Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen Daten war damit, soweit sie die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages betraf, nicht erforderlich. Auch eine verpflichtende Nutzung war bereits möglich und wurde so beispielsweise vom MSB im Verlauf der Pandemie kommuniziert, als es um die Nutzung von Videokonferenz Plattformen durch Lehrkräfte zur Erteilung von Distanzunterricht ging. Ob Schüler und Lehrkräfte im Einzelfall während der Pandemie tatsächlich zu einer Nutzung verpflichtet werden konnten, hing jedoch wesentlich von weiteren Faktoren ab, etwa der Verfügbarkeit von von der Schule bereitgestellten Schülergeräten und Dienstgeräten für Lehrkräfte.1Weitere Faktoren waren die DS-GVO Konformität der Plattform, um die es ging, und ob die Plattform zur Aktivierung des Kontos eine datenschutzrechtliche Einwilligung zwingend voraussetzt oder nicht. Im Fall von Logineo NRW war und ist die Freiwilligkeit der Nutzung zusätzlich durch eine Dienstvereinbarung festgeschrieben und schließt damit eine verpflichtende Nutzung aus. Ausgenommen von der Verarbeitung auf der beschriebenen Rechtsgrundlage sind freiwillig von den Betroffenen bereitgestellte Nutzungsdaten. Ihre Verarbeitung durch die Schule setzt deshalb eine Einwilligung voraus.2 Ein Blick auf die Datenschutzerklärung von Logineo NRW mit Stand vom 19.08.2020 zeigt, dass man dort genau diesem Ansatz folgt und bei den angegebenen Rechtsgrundlagen entsprechend differenziert.

Spätestens der Distanzunterrichts mittels digitaler Plattformen in der Pandemiezeit seit Frühjahr 2020 machte allen Beteiligten deutlich, dass dem Schulgesetz NRW genau an dieser Stelle bereichsspezifische konkrete datenschutzrechtliche Regelungen fehlten. Mit dem 16. Schulrechtsänderungsgesetz hat das Land NRW reagiert und im Schulgesetz NRW eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei der Nutzung digitaler Plattformen zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags geschaffen. Dafür wurden eine Konkretisierung auf zwei Kategorien von Plattformtypen vorgenommen und der rechtliche Rahmen für eine verpflichtende Nutzung gesetzt. Ergänzend hierzu wurde in § 2 Abs. 1 Satz 3 VO-DV I die Verarbeitung von Protokolldaten geregelt.

Die folgenden Änderungen bzw. Ergänzungen wurden bezüglich der Nutzung von digitalen Plattformen in der Schule vorgenommen.

§ 8 SchulG NRW

Auch wenn die Änderung von § 8 SchulG NRW nicht schulisches Datenschutzrecht betrifft, wird diese hier erwähnt, da sie die Grundlagen für die in den §§ 120 und 121 vorgenommenen datenschutzrechtlichen Änderungen legt. Die Änderungen in § 8 SchulG NRW betreffen die Überschrift, die erweitert wurde, und einen neuen Absatz 2.3Der bisherige Absatz 2 wurde dadurch zu Absatz 3.

§ 8
Unterrichtszeit, Unterrichtsorganisation, Digitalisierung
(1) Der Unterricht wird als Vollzeitunterricht in der Regel an wöchentlich fünf Tagen erteilt. Über Ausnahmen entscheidet die Schulkonferenz im Einvernehmen mit dem Schulträger.
(2) Zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags kann die Schule bereitgestellte Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form nutzen.

Mit dem Hinzufügen des Wortes “Digitalisierung” in der Überschrift möchte man die Digitalisierung der Schulen als “ein wichtiges Ziel bildungspolitischen Handelns der Landesregierung” im Schulgesetz festschreiben. Das MSB bezeichnet dieses als einen “ersten programmatischen Schritt, mit welchem man “einen normativen Bezug für die „Digitalstrategie Schule“4siehe Erläuterungen im Gesetzesentwurf vom 09.12.2021 schafft. Wesentlich wichtiger als diese politische Willenserklärung in Form einer Überschrift ist dann jedoch die mit Abs. 2 geschaffene Rechtsnorm, da hiermit der schulische Einsatz digitaler Lehr- und Lernsysteme sowie digitaler Arbeits- und Kommunikationsplattformen gesetzlich verankert wird. Das ist neu und bricht mit der bisherigen Systematik des SchulG NRW, da vergleichbare Regelungen sich bisher ausschließlich in den §§ 120 und 121 fanden. Es zeigt aber auch, welchen Stellenwert man der Nutzung digitaler Plattformen einräumt, indem man diese Regelung auf eine Stufe mit Vorgaben zur Unterrichtszeit und Unterrichtsorganisation stellt. Was steckt in diesem Satz 2?

Der Rechtsrahmen

Zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags kann die Schule bereitgestellte Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form nutzen.

Schulen erhalten die Möglichkeit, digitale Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen zu nutzen, soweit dieses erforderlich ist, um den Bildungs- und Erziehungsauftrags zu erfüllen. Auch wenn dieses eine damit einhergehende Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Schule bereits impliziert, erfolgt die bereichsspezifische konkrete datenschutzrechtliche Regelung diesbezüglich erst in den §§ 120 und 121. Die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags beschränkt sich nicht nur auf den Unterricht selbst. Es geht hier laut MSB im Gesetzesentwurf um eine Nutzung “für pädagogisch-didaktische Zwecke, insbesondere für die Gestaltung von Lehr- Lernprozessen, aber auch für schulinterne Verwaltungstätigkeiten sowie interne und externe Kommunikationsprozesse …

Entscheidung der Schule

Zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags kann die Schule bereitgestellte Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form nutzen.”

Die Entscheidung über die Nutzung digitaler Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags liegt damit bei der Schule. Vor dem Einsatz ist gemäß der ebenfalls neu geschaffenen Regelung in § 65 Abs. 2 Nr. 6 die Schulkonferenz an der Entscheidung über die Einführung einer vom Schulträger vorgeschlagenen Plattform zu beteiligen.5Wie im Gesetzesentwurf angemerkt ist, gilt diese Entscheidungsbefugnis nicht für bereits vor Inkrafttreten des 16. Schulrechtsänderungsgesetzes existierende und genutzte Systeme und Plattformen. (siehe Zu Nummer 22 (§ 65))

(2) Die Schulkonferenz entscheidet im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften in folgenden Angelegenheiten:
[…]

6. über den Vorschlag zur Nutzung der vom Schulträger bereitgestellten Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form (§ 8 Absatz 2),

Im Gesetzesentwurf vom 09.12.2021 heißt es außerdem, “Das Nähere, insbesondere unter welchen Voraussetzungen die Systeme zu nutzen sind, regeln die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen.” Dort wird es dann, sofern noch nicht vorhanden, entsprechende Vorgaben geben.

Digitale Plattformen

Zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags kann die Schule bereitgestellte Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form nutzen.”

Bezüglich digitaler Medien gab es im Schulgesetz NRW bisher nur eine Rechtsgrundlage für die Nutzung von “digitalen Lehr- und Lernmitteln.”6siehe § 120 Abs. 5 Satz 1, worunter sich beispielsweise digitale Schulbücher fassen lassen. Mit den digitalen “Lehr- und Lernsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen” erweitern sich die Plattformtypen, in welchen eine Schule zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags personenbezogene Daten verarbeiten darf, auf “informationstechnische Systeme” zu denen laut Erläuterung des MSB im Gesetzesentwurf “insbesondere Lernmanagementsysteme, E-Mail- und Messengerdienste sowie Videokonferenztools” zählen. Das beschreibt ziemlich genau, was die Plattformen der Logineo NRW Familie leisten und entsprechend verweist das MSB im Gesetzesentwurf auch auf diese und stellt ihre Vorteile heraus. In Frage kommen für eine Nutzung im Rahmen von  § 8 Abs. 2 weitere Plattformen, etwa Cloud Plattformen wie NextCloud mit integrierten oder angeschlossenem Office, Schulserver wie ein IServ, Classroom Management Systeme oder auch Lern Apps wie Anton. Auch Systeme für Umfragen und Feedback sollten sich darunter fassen lassen oder Apps wie beispielsweise Schulmanager Online, Sdui und Elternnachricht, digitale Klassenbücher und Stunden- und Vertretungspläne, über welche schulische Organisationsabläufe, wie sie zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags erforderlich sind, abgebildet werden.

§§ 120 und 121 SchulG NRW

Für die in § 8 geschaffene Rechtsgrundlage, welche es Schulen ermöglicht, digitale Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags einzusetzen, werden in § 120 Abs. 5 durch Hinzufügen von Satz 2 bereichsspezifische konkrete datenschutzrechtliche Regelung getroffen7Auch wenn sich hier in Teilen eine Dopplung mit § 8 Satz 2 ergibt, so sind die Regelungen in §§ 120 und 121 an dieser Stelle erforderlich, da diese beiden Paragraphen diejenigen sind, an welchen im SchulG NRW schulischer Datenschutz geregelt ist.:

(5) Die Schule darf für den Einsatz digitaler Lehr- und Lernmittel personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler und der Eltern verarbeiten, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Schule erforderlich ist. Dies gilt entsprechend für den Einsatz von Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen (§ 8 Absatz 2); in diesem Rahmen sind die Schülerinnen und Schüler zur Nutzung verpflichtet.

In § 121 Abs. 1 wird durch Hinzufügen eines nahezu wortgleichen Satzes 2 entsprechend verfahren:

(1) Daten der Lehrerinnen und Lehrer dürfen von Schulen verarbeitet werden, soweit dies zur Aufgabenerfüllung bei […] der Durchführung des Unterrichts, einschließlich des Einsatzes digitaler Lehr- und Lernmittel, […] erforderlich ist. Dies gilt entsprechend für den Einsatz von Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen (§ 8 Absatz 2); in diesem Rahmen sind die Lehrerinnen und Lehrer zur Nutzung verpflichtet.

Schulen dürfen damit beim Einsatz von digitalen Lehr- und Lernsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen die personenbezogenen Daten von Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern sowie von Lehrkräften verarbeiten, soweit dieses zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags erforderlich ist. Dieses schließt auch Videokonferenz Plattformen ein. Innerhalb des gesteckten Rahmens sind sowohl Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrkräfte zur Nutzung der genannten Plattformen verpflichtet. Eltern sind von dieser Verpflichtung ausgenommen.

Welche Daten

Die Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Schülern, Eltern und Lehrkräften erstreckt sich auf die in VO-DV I und II normierten Daten und geht sogar noch über diese hinaus. Digitale Plattformen lassen sich nicht betreiben, ohne dass dabei weitere personenbezogene und -beziehbare Daten anfallen. Diese müssen sich jedoch im Rahmen des technisch Erforderlichen bewegen. Mit §2 Abs. 1 Satz 3 VO-DV I wird dieses klargestellt: “ Beim Einsatz digitaler Lehr- und Lernmittel, digitaler Kommunikationsmittel sowie IT-Infrastrukturen ist die Verarbeitung von Protokolldaten nur zulässig, soweit dies zum Betrieb technisch erforderlich ist.” Für die Verarbeitung von Protokolldaten oder auch Logdaten werden hier zwei Grenzen aufgezeigt. Es dürfen zum Einen nur solche Protokolldaten erhoben werden, die technisch erforderlich sind. Außerdem dürfen die erhobenen Daten nur genutzt werden, soweit dieses technisch erforderlich ist, um die jeweilige Plattform zu betreiben. Gleichsam ist es auch nicht zulässig, diese Daten für andere Zwecke zu nutzen. Protokolldaten dürfen somit nicht genutzt werden, um Aufschlüsse über Nutzerverhalten zu gewinnen.8Eine Ausnahme wäre hier die Kontrolle von Protokolldaten, wenn der Verdacht besteht, dass mit einer Plattform Missbrauch betrieben wird. Dieses setzt jedoch die Erfüllung weiterer Vorgaben voraus.

Welche Plattformen

In den Erläuterungen im Gesetzesentwurf wird noch einmal klargestellt, dass die neuen Regelungen in den §§ 120 und 121 weit gefasst werden: “Dies schließt alle Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen im Sinne des § 8 Absatz 2 ein, die die Schule zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags nutzt.” Auch schon vor Inkrafttreten des 16. Schulrechtsänderungsgesetzes bestehende Plattformen fallen unter die Regelung, sofern sie von einer Schule im Sinne des § 8 Absatz 2 zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags genutzt werden.9Siehe dazu auch die Erläuterung zu § 8 Absatz 2 unter der Überschrift “Digitale Plattformen“, wo in Frage kommende Plattformen ausführlicher beschrieben sind.

Keine Einwilligung aber Information

Durch die in den §§ 120 und 121 neu aufgenommenen Sätze verfügen Schulen nun über eine konkrete Rechtsgrundlage, welche ihnen die Verarbeitung von personenbezogenen Daten in digitalen Lehr- und Lernsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen wie dort beschrieben erlaubt und Schüler wie auch Lehrkräfte sogar zur Nutzung verpflichtet. Eine Einwilligung ist hierfür somit nicht erforderlich. Es besteht jedoch weiterhin eine Informationspflicht gem. Art. 13 DS-GVO.

Ganz konkret bedeutet dieses, dass weder von Schülern noch von Eltern oder Lehrkräften eine Einwilligung eingeholt werden muss, wenn eine Schule beispielsweise eine Videokonferenz Plattform wie Jitsi für die Durchführung von Unterricht oder von Beratungsgesprächen mit Eltern nutzt.

Videokonferenz Plattform

Im Verlauf der Pandemie war vor allem strittig, ob Lehrkräfte zur Erteilung von Distanzunterricht per Videokonferenz verpflichtet werden konnten und dieses mit eingeschalteter Videokamera. Genau diesem Umstand dürfte die ausdrückliche Erwähnung von “Videokonfenzsystemen” geschuldet sein. Das Land NRW legt damit fest, dass sich die Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Schülern, Eltern und Lehrkräften zur Aufgabenerfüllung und bei Lehrkräften außerdem zur Durchführung von Unterricht auch auf die Nutzung von Videokonferenz Plattformen erstreckt. Welche weitreichenden Möglichkeiten sich dadurch für Schulen ergeben, erläutert das MSB im Gesetzesentwurf: “Ebenso besteht die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler, die nicht an Präsenzunterricht teilnehmen können (z.B. Quarantäne, Wechsel von Präsenz- und Distanzphasen, Krankheit etc.) am Unterricht vor Ort „zuzuschalten“ und somit am Unterricht teilhaben zu lassen.” Anders als bisher braucht es dafür von den Schülerinnen und Schülern im Klassenraum keine Einwilligung mehr. Gleiches gilt auch für die Durchführung von Konferenzen in Form von Videokonferenzen.

Videokamera an – aus?

Neben den Möglichkeiten, Videokonferenz Plattformen im Unterricht einzusetzen werden im Gesetzesentwurf auch die Grenzen beschrieben: “Zulässig ist der Einsatz von Videokonferenzsystemen nur, wenn dies zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich ist. Die Erforderlichkeit liegt vor, wenn dies zur Sicherung des konkreten Unterrichtsgeschehens oder aus anderen pädagogisch-didaktischen Gründen gegeben ist.” Werden Schülerinnen und Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, dem Unterricht zugeschaltet, so dürfte es in der Regel nicht erforderlich sein, dass dabei permanent Ton und/oder Kamera eingeschaltet sind, weder im Klassenraum, noch auf Seiten der Schülerinnen und Schüler. Eine Erforderlichkeit, Kamera und Ton im Klassenraum aus pädagogisch-didaktischen Gründen einzuschalten, ist aber in dem Moment gegeben, in welchem die Lehrkraft oder Schülerinnen und Schüler im Klassenraum etwas vorführen oder ein Unterrichtsgespräch in der Lerngruppe stattfindet.

Mit dem Satz “Die Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler zum Einsatz von Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen und zur Nutzung von Videokonferenzsystemen mit Einschalten von Ton und Bild besteht in dem durch § 8 Absatz 2 gesetzten Rahmen.” der entsprechend auch für  Lehrkräfte gilt, wird im Kommentar zum Gesetzesentwurf noch einmal ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Verpflichtung, Ton und Bild einzuschalten, sich in dem durch § 8 Absatz 2 gesetzten Rahmen bewegen muss. Sie ist somit nur möglich, sofern dieses zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages erforderlich ist.

Das lässt Interpretationsspielraum, denn nicht jeder, ob Schüler oder Lehrkraft, wird je nach Situation eine Erforderlichkeit anerkennen.

Nutzung nur im im zulässigen Umfang

Auch wenn dieser Punkt aus den Änderungen im SchulG nicht unmittelbar hervorgeht, soll er hier erwähnt werden, denn er geht auf eine Forderung der LDI NRW in der Schrift Pandemie und Schule zurück. Wenn eine Verpflichtung zur Nutzung besteht, muss zu Schutz aller Beteiligten “gewährleistet sein, dass alle Betroffenen die digitalen Module nur im zulässigen Umfang nutzen können. Dieses wird durch technische und organisatorische Maßnahmen geregelt, etwa entsprechende Voreinstellungen in der Plattform und gegebenenfalls Nutzungs- bzw. Dienstvereinbarungen.” Dieses ist erforderlich, um beispielsweise Cyberbullying oder unbefugte Mitschnitte von Videokonferenzen zu verhindern und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen zu können, sollte es zu unzulässigen Nutzungen kommen.

Grenzen der Verpflichtung

Auch wenn durch die Änderungen im Schulgesetz NRW die rechtlichen Grundlagen für eine verpflichtende Nutzung von digitalen Plattformen und die dafür erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten geschaffen worden sind und sich dadurch für Schulen neue Perspektiven die Gestaltung von Unterricht wie auch die Abbildung von Verwaltungstätigkeiten eröffnen, so sind diesen neuen Möglichkeiten Grenzen gesetzt. Einige davon sind durch die neuen Regelungen selbst bedingt, andere hängen mit externen Faktoren zusammen, die in Zukunft wegfallen könnten.

Nicht für Eltern

Eine Grenze beschreibt § 120 Abs. 5 Satz 2 selbst, indem die Verpflichtung zur Nutzung nur für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte vorgegeben wird, nicht jedoch für Eltern. Bezüglich der Eltern heißt dieses, Schulen können deren Daten bei der Nutzung von digitalen Lehr- und Lernsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenz Plattformen ohne Einwilligung nutzen, die Eltern aber nicht zur Nutzung verpflichten. Damit können Schulen in infrage kommenden Plattformen beispielsweise Konten für die Eltern anlegen und den Eltern eine Nutzung anbieten. Diese sind jedoch nicht verpflichtet, diese Plattformen auch zu nutzen. In einem solchen Fall müssten sie aber mit Anlegen eines Kontos immer auch über die Datenverarbeitung gem. Art. 13 DS-GVO informiert werden.

Nutzung im Sinne von § 8 Satz 2

Eine Verpflichtung zur Nutzung eines digitalen Lehr- und Lernsystems oder einer Arbeits- und Kommunikationsplattform einschließlich Videokonferenz Plattform setzt voraus, dass die Nutzung im Sinne von § 8 Satz 2 erfolgt, also zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags. Mit Bezug auf den Einsatz von Videokonferenz Plattformen heißt es hierzu im Gesetzesentwurf: “Zulässig ist der Einsatz von Videokonferenzsystemen nur, wenn dies zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich ist. Die Erforderlichkeit liegt vor, wenn dies zur Sicherung des konkreten Unterrichtsgeschehens oder aus anderen pädagogisch-didaktischen Gründen gegeben ist.” Für eine über die zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags hinausgehende Nutzung sind Schüler wie Lehrkräfte nicht verpflichtet.

Sächliche Voraussetzungen sind gegegeben

Schülerinnen und Schüler können zu einer Nutzung von Lehr- und Lernsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen, die von der Schule zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags eingesetzt werden, nur dann verpflichtet werden, wenn sie auch die Möglichkeit dazu haben. Stehen den Schülerinnen und Schülern ausreichend viele schulische Geräte mit dienstlich zugelassenen Anwendungen zur Verfügung, ist eine verpflichtende Nutzung möglich. Ist dieses nicht der Fall und Schülerinnen und Schüler müssen private Endgeräte nutzen, so kann dieses nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Das MSB stellt im Gesetzesentwurf unter “zu Buchstabe b” ausdrücklich klar: “Eltern bzw. Schülerinnen und Schüler sind schulrechtlich nicht verpflichtet, ein digitales Endgerät für den Unterricht anzuschaffen oder einzusetzen.” Gleiches gilt auch für Lehrkräfte. Auch sie sind nicht zur Nutzung von privaten Endgeräten verpflichtet. Eine verpflichtende Nutzung setzt entsprechend bei Lehrkräften ein Dienstgerät mit dienstlich zugelassenen Anwendungen voraus.

Keine Einwilligung oder Freiwilligkeit vorgeschrieben

Eine verpflichtende Nutzung ist nicht möglich, wenn eine Einwilligung in die Datenverarbeitung bei der Nutzung einer Plattform zwingend vorgeschrieben ist. Dieses ist bei den Produkten der Logineo NRW Familie jedoch der Fall. Es kommt hinzu, dass die Freiwilligkeit der Nutzung auch in einer Dienstvereinbarung mit den Hauptpersonalräten (Stand 21.10.2020) vereinbart wurde10Hinweis: Es gibt genau genommen zwei Dienstvereinbarungen, da die Hauptpersonalräte sich der Dienstvereinbarung der anderen Schulformen nicht anschließen wollten.: “Die Nutzung von LOGINEO NRW ist freiwillig und setzt eine Einwilligungserklärung der jeweiligen Nutzerin oder des jeweiligen Nutzers bzw. deren oder dessen gesetzlicher Vertretung voraus.” In der Logineo NRW Rahmendienstnutzungsordnung mit Datum vom 28.01.2021 heißt es unter Gegenstand und Geltungsbereich “Die Nutzung von LOGINEO NRW ist freiwillig. Die Einwilligung kann im Rahmen der Aktivierung des individuellen Nutzeraccounts bei Erstanmeldung am System erteilt werden.” und unter 6. Nutzung des LOGINEO NRW Messengers und des VideokonferenztoolsDie anlassbezogene Nutzung des im LOGINEO NRW Messengers enthaltenen Videokonferenztools ist freiwillig. Es obliegt den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern sich an einer Videokonferenz zu beteiligen. Insbesondere das Einschalten der Kamerafunktion ist nicht verpflichtend.”

Im Fall von Logineo NRW ist eine verpflichtende Nutzung von daher solange ausgeschlossen, wie die Dienstvereinbarungen wie auch die zugehörige Rahmendienstnutzungsordnungen in der aktuellen Form gelten.

Es ist auch nicht rechtmäßig, wie aus zumindest einer Bezirksregierung im Verlauf der Pandemie zu hören war, Lehrkräfte zur Einwilligung dienstlich anzuweisen, um sie damit zur Nutzung einer Videokonferenz Plattform zur Erteilung von Unterricht zu verpflichten. Eine Einwilligung setzt immer die Freiwilligkeit voraus. Ohne ist sie nicht rechtswirksam.

Im Sinne des SchulG NRW und DS-GVO genutzte Plattform

Die LDI NRW hat sich in der Schrift Pandemie und Schule (Stand 12.05.2021) auch zur verpflichtenden Nutzung von schulischen Plattformen auf der Grundlage der bis dahin bestehenden Regelungen des SchulG NRW11dort bezeichnet als “dieser Ansatz” geäußert. “Dabei ist zum einen zu beachten, dass dieser Ansatz nur zum Tragen kommen kann, soweit die Verarbeitung der hierfür erforderlichen Daten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften im Verantwortungsbereich der Schule erfolgt, d.h. sie selbst die Daten verarbeitet oder durch Regelungen in einem Auftragsverarbeitungsvertrag sichergestellt ist, dass sie „Herrin der Daten“ ist.” In Frage kommen damit nur Plattformen im Sinne von § 8 Abs. 2, welche die Schule entweder selbst betreibt, oder welche sie durch den Schulträger oder einen Dienstleister auf der Grundlage eines Vertrags zur Auftragsverarbeitung gem. Art. 28 DS-GVO bereitstellen lässt. Außerdem sind, wie die LDI NRW beschreibt, weitere Anforderungen der DS-GVO zu erfüllen: “Gerade wenn eine Nutzung jedoch verpflichtend erfolgen soll, muss gewährleistet sein, dass die digitalen Module selbst den datenschutzrechtlichen Anforderungen insbesondere aus Art. 5, 24, 25 und 32 DS-GVO genügen  ….

Fazit

Eine verpflichtende Nutzung von digitalen Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen ist nur möglich, wenn die Schule diese

  • zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags nutzt, und
  • allen Schülerinnen und Schülern der Lerngruppe ein von der Schule bereitgestelltes digitales Endgerät einschließlich der erforderlichen Anwendungen zur Verfügung steht, und
  • es sich um eine Plattform handelt, die nach Februar 2022 auf der Grundlage von § 8 Satz 2 SchulG NRW eingeführt wurde, oder deren Einführung vor Februar 2022 im Sinne von § 8 Satz 2 erfolgte, und
  • die Plattform die Vorgaben des SchulG NRW und der DS-GVO erfüllt, und
  • die Plattform keine Einwilligung oder Freiwilligkeit der Nutzung vorschreibt.

Über die eingesetzten digitalen Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen entscheidet die Schule. Unter welchen Voraussetzungen die Systeme zu nutzen sind, regeln die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen.

Schulen dürfen die personenbezogenen Daten von Schülern und Lehrkräften bei der Nutzung digitalen Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen auf der Grundlage des SchulG NRW verarbeiten, wodurch die Erfordernis zu einer Einwilligung entfällt. Die Verpflichtung Betroffene über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten gem. Art. 13 DS-GVO zu informieren besteht allerdings weiterhin.

Auch wenn digitale Lehr- und Lernsysteme und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen ohne Verpflichtung genutzt werden, etwa weil Schülerinnen und Schüler private Endgeräte auf freiwilliger Basis nutzen, bedarf es dazu keiner Einwilligung, da auch diese Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die neuen Regelungen abgedeckt sind.

Geht die Nutzung digitaler Lehr- und Lernsysteme und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsysteme über die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages hinaus, so setzt die dafür erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten eine Einwilligung der Betroffenen voraus.

Und außerdem

Mit den Neuerungen in den §§ 120 und 121 besteht nun die Möglichkeit, die personenbezogenen Daten von Schülern und Lehrkräften auch beim Einsatz von Videokonferenzsystemen zu verarbeiten. Die Aufzeichnung von Videokonferenzen ist auf dieser Rechtsgrundlage jedoch nicht möglich. Hier gelten weiterhin § 120 Abs. 6 bzw. § 121 Abs. 1 Satz 3, wonach “Bild- und Tonaufzeichnungen des Unterrichts oder sonstiger verbindlicher Schulveranstaltungen […] der Einwilligung der betroffenen Personen.” bedürfen.

Fragen und Antworten zur Umsetzung der neuen Regelungen

Was die neuen Regelungen für die Praxis bedeuten, wird in den folgenden FAQ näher betrachtet.

FAQ – Einsatz von digitalen Plattformen ab März 2022

Stand 03/2022