Die Nutzung von Microsoft 365 ist schon seit Jahren eine Hängepartie für Schulen. Permanent scheint das Ende nahe. Die Position der LDI NRW zur schulischen Nutzung von Microsoft 365 ist durch verschiedene Veröffentlichungen und Äußerungen bekannt. Die letzte Aussage in schriftlicher Form stammt von Oktober 2022 aus der Schrift Digitaler Unterricht in Schulen – Der Grundstein ist gelegt.
Im November veröffentlichte dann die Datenschutzkonferenz (DSK) ihre Bewertung, die anders als 2020 einstimmig von allen Aufsichtsbehörden so beschlossen wurde. Ergebnis der Bewertung war, dass Schulen Microsoft 365 nicht datenschutzkonform nutzen können, da die Schulleitungen als Verantwortliche nach Einschätzung der DSK aufgrund fehlender Informationen durch Microsoft nicht in der Lage sind, ihrer Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO nachzukommen. Man sieht darüber hinaus auch Mängel bezüglich des Vertrags zur Auftragsverarbeitung, den Schulen mit Microsoft abschließen.1Siehe dazu auch Warum die Datenschutzkonferenz MS365 in Schulen nicht für nutzbar hält
Was bedeutet diese Entwicklung nun für die Schulen in NRW?
Im Beitrag Warum die Datenschutzkonferenz MS365 in Schulen nicht für nutzbar hält im News Bereich dieser Website wird beschrieben, welche Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde NRW zur Verfügung stehen, wenn sie Schulen gegenüber Konsequenzen aus der Bewertung der DSK folgen lassen will. Doch müssen Schulen jetzt damit rechnen, dass die Aufsichtsbehörde nachforscht, ob man Microsoft 365 nutzt und dass in Folge eine Nutzung möglicherweise untersagt wird, falls man nicht von sich aus auf eine andere Lösung wechselt?
Aktuell deutet nichts darauf hin, dass die Aufsichtsbehörde des Landes NRW von ihrer bisherigen Linie abweichen wird. Sie hat im letzten Jahresbericht wie auch in der oben erwähnten Schrift – ohne Namen zu nennen – öffentlich kundgetan, dass sie eine datenschutzkonforme Nutzung von Microsoft 365 und vergleichbaren Plattformen nicht für möglich hält, jedoch nicht den Weg der Verbote gehen, sondern mit Überzeugung arbeiten möchte. So weit wie etwa der LfDI Thüringen, der dieses auch medienwirksam in die breite Öffentlichkeit trägt und dort ankündigt, wie man nun weiter verfahren möchte, ist die LDI NRW bisher nicht gegangen. Äußerungen aus ihrem Haus lassen dergleichen auch nicht erwarten.
Die LDI NRW hat aktuell demnach nicht vor, Microsoft 365 aus allen Schulen des Bundeslandes zu verbannen. Sie wird jedoch auf jeden Fall Beschwerden von Betroffenen nachgehen und an diesen Schulen Verfahren in Gang setzen. Dazu verpflichtet sie die DS-GVO. Welche Aspekte dann letztlich im Fokus des aufsichtsbehördlichen Verfahrens stehen, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Aufsichtsbehörde betroffene Schule auch bezüglich der Erfüllung ihrer Rechenschaftspflichten gem. Art. 5 Abs. 2 DS-GVO um Auskunft bitten wird. Die Schule muss dann je nach Fall nachweisen, wie sie die Vorgaben der DS-GVO wie auch des Schulgesetzes durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen einhält und auch ihren Rechenschaftspflichten nachkommt. Ist die Schule dann nicht in der Lage, eine DS-GVO konforme Nutzung der Plattform nachzuweisen, bzw. ihren Rechenschaftspflichten nachzukommen, hätte die Schule nur zwei Optionen. Sie ließe sich überzeugen, die Nutzung von Microsoft 365 aufzugeben, oder riskierte eine Untersagung.
Wie sollten Schulen sich verhalten?
Was tun, wird man sich an vielen Schulen und auch bei vielen Schulträgern nun fragen? Macht es für Schulträger Sinn, bestehende Lizenzen zu verlängern? Ist es für Schulen sinnvoll, die Nutzung von Microsoft 365 fortzusetzen und gegebenenfalls sogar noch auszuweiten?
Die schulische Nutzung von Microsoft 365 ist aus Sicht der DSK problematisch und die LDI NRW teilt diese Haltung. Allerdings ist die Bewertung der DSK nicht unumstritten2Siehe z.B. Microsoft 365: Microsoft bewegt sich, die Datenschützer mauern unverhältnismäßig auf Heise. und Microsoft arbeitet weiter daran, den Anforderungen der Aufsichtsbehörden bezüglich der Transparenz und Gestaltung der datenschutzrechtlichen Verträge zu entsprechen. Ergänzend dazu stellt Microsoft zum Jahresende die EU Data-Boundary bereit, welche es Verantwortlichen ermöglicht, nahezu alle Daten in der EU zu verarbeiten.3Ob Schulen oder ihre Schulträger hier tätig werden müssen, um die Datenverarbeitung in ihren Tenants auf die EU Data-Boundary umzustellen, ist bei Microsoft angefragt Microsoft hat auf die neuen Standardvertragsklauseln (Standard Contractual Clauses, SCC) umgestellt und das Data Processing Addendum4siehe hierzu den Beitrag Neues Data Processing Addendum von Microsoft von September 2022 ist automatisch für alle Kunden gültig.5Im DPA heißt es hierzu: “Microsoft geht die in diesem DPA beschriebenen Verpflichtungen gegenüber allen Kunden mit Volumenlizenzverträgen ein. Diese Verpflichtungen sind für Microsoft in Bezug auf den Kunden bindend, unabhängig (1) von den Produktbestimmungen, die ansonsten für ein bestimmtes Produktabonnement oder eine Lizenz gelten, und (2) von anderen Verträgen, die auf die Produktbestimmungen verweisen.” Quelle unter https://wwlpdocumentsearch.blob.core.windows.net/prodv2/MicrosoftProductandServicesDPA(WW)(German)(Sept2022)(CR).docx Entlastung werden darüber hinaus, wenn auch vielleicht nur vorübergehend, die Executive Order des US Präsidenten und der geplante Angemessenheitsbeschluss durch die EU Kommission bringen. Man kann aktuell davon ausgehen, dass die LDI NRW sich nicht ohne einen konkreten Anlass bezüglich einer schulischen Nutzung von Microsoft 365 melden wird.
Solange man nicht davon ausgeht, dass die Aufsichtsbehörden nicht anders können, als bei Microsoft 365 jeden Missstand und sei er auch noch so gering, zu suchen, zu bemängeln und daraus eine Nichtnutzbarkeit für Schulen abzuleiten, sollte sich die Lage tendenziell weiter entspannen. Microsoft bessert beständig nach. Die Zeit arbeitet letztlich für Schulen, welche die Plattform nutzen.
Schulen, die weiterhin auf Microsoft 365 setzen wollen, werden die Dinge in den meisten Fällen einfach auf sich zukommen lassen und abwarten wie die Lage sich entwickelt. Sie sollten allerdings nicht bloß darauf vertrauen, dass die Lage sich früher oder später zu ihren Gunsten entwickelt dürfte, sondern sich proaktiv kritisch mit ihrer Nutzung der Plattform auseinandersetzen. Dazu gehört eine Erfassung aller Verarbeitungen, welche die Schule in der Plattform durchführt. Wer nutzt die Plattform zu welchen Zwecken und verwendet dabei welche Daten?6Dieses würde man zweckmäßig in einem Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten gem. Art. 30 DS-GVO festhalten, sofern noch nicht geschehen. Zu prüfen wäre hier auch, ob die Plattform eventuell für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten genutzt wird, die dort aus Sicherheitsgründen nicht verarbeitet werden sollten. Das wären beispielsweise Zeugnisse, Gutachten, Beurteilungen, Notenlisten, Protokolle von Klassenkonferenzen, Unterlagen zu AO-SF Verfahren und ähnlich. Kontrolliert werden sollte auch, ob die Schule alle technischen und organisatorischen Maßnahmen getroffen hat, mit denen sich mögliche hohe Risiken für Betroffene bei der unterrichtlichen Nutzung von Microsoft 365 ausreichend mindern lassen, um eine Nutzung vertreten zu können.
Als Hilfe für die Überprüfung und anschließende Anpassung bietet sich eine Datenschutz Folgenabschätzung an. eine Vorlage dafür haben im Februar 2023 zwei Fachjuristen unter Creative Commons Lizenz veröffentlicht.7Weitere Informationen dazu unter Kostenlose Vorlage für eine Datenschutz Folgenabschätzung für Microsoft 365 für Schulen Welche Maßnahmen dafür in Frage kommen, wurde bereits von verschiedenen Stellen online dokumentiert. Auch die oben genannte Vorlage führt einige Maßnahmen auf. Einige der für die dort beschriebenen Maßnahmen erforderlichen administrativen Konfigurationen stehen nicht in allen Versionen von MS365 zur Verfügung. Vor allem in der kostenlosen A1 Version sind die Steuerungsoptionen von Datenflüssen und Sicherheitsmaßnahmen wie auch Sicherheitsfunktionen nur eingeschränkt oder gar nicht verfügbar.
Zu möglichen technischen Maßnahmen gehören beispielsweise:
- Telemetrieerfassung in installierten Anwendungen auf die niedrigste Stufe “Weder noch” setzen,
- Zugriff auf Anwendungen von Drittanbietern im App Store in Teams deaktivieren,
- zusätzliche optionale Connected Experiences in Micorosft 365 deaktivieren,
- die meisten Funktionen in Teams Analytics & Reports deaktivieren und Pseudonymisierungsoption einschalten,
- Viva Advanced Insights nicht aktivieren,
- in Teams für alle Meetings und Chats Ende-zu-Ende Verschlüsselung aktivieren, sobald von Microsoft zur Verfügung gestellt,
- Nutzung von Bring-your-own key, idealerweise mit einem eigenen Key-Server,
- …
Zu möglichen organisatorische Maßnahmen gehören beispielsweise:
- Nutzung von pseudonymisierten Zugangsdaten, etwa mit Buchstaben von Vor- und Nachnamen,
- Anweisung für Lehrkräfte, keine Datei- und Ordnernamen mit Namen von Personen erstellen,
- keine Nutzung für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten aus der schulinternen Verwaltung (keine Notenlisten, Gutachten, …) oder für pädagogische Dokumentation,
- Vollständige Erfüllung der Informationspflichten gem. Art. 13 DS-GVO,
- Transparenz und Information, wie man als Schule mögliche Risiken für Betroffene bei der Nutzung minimiert,
- regelmäßige Schulung und Sensibilisierung aller Nutzer für eine sichere und verantwortungsvolle Arbeit mit der Plattform,
- …
Auch wenn Schulen aktuell nicht damit rechnen müssen, anlasslos von der Aufsichtsbehörde kontaktiert zu werden, so besteht jedoch immer das Risiko, dass die Aufsichtsbehörde durch eine Beschwerde zum Handeln gezwungen wird. Das heißt, Schulen sollten tunlichst alles Handeln im Zusammenhang mit der Nutzung von Microsoft 365 vermeiden, das Betroffene zu einer Beschwerde veranlassen könnte. Stattdessen sollten sie Bedenken ernst nehmen und den Betoffenen entgegenkommen, um gemeinsam eine verträgliche Lösung zu finden.